In gewissem Sinne mache ich Propaganda
für einen Stil des Denkens
im Unterschied zu einem anderen.
Dieser andere Stil stößt mich ehrlich ab.
Ich versuche auch auszudrücken, was ich denke.

Ludwig Wittgenstein

Was ist Denken?

Unser Denken ist ein Gestalten im Gespräch. Es beginnt mit einem Denkanstoß und einem Aufruf, sich aus dem reinen Gang der Notwendigkeiten los zu reißen.

Wir beginnen uns zu Wundern und folgen einem Projekt. Dabei hat das Denken als Projekt den klaren Ausdruck unserer Gedanken zum Ziel. Und unser Denken kann helfen, auch im Handeln klar zu sein.

Wer sich aufmacht zu Denken, hört auf an Ideologien zu glauben, sondern er prüft im Gespräch die Begriffe und ihre Anwendung. Sein Projekt ist „der subjektive Keim eines werdenden Objekts. Ein vollkommnes Projekt müßte zugleich ganz subjektiv, und ganz objektiv, ein unteilbares und lebendiges Individuum sein. Seinem Ursprunge nach, ganz subjektiv, original, nur grade in diesem Geiste möglich; seinem Charakter nach ganz objektiv, physisch und moralisch notwendig.

Der Sinn für Projekte, die man Fragmente aus der Zukunft nennen könnte, ist von dem Sinn für Fragmente aus der Vergangenheit nur durch die Richtung verschieden, die bei ihm progressiv, bei jenem aber regressiv ist.

Das Wesentliche ist die Fähigkeit, Gegenstände unmittelbar zugleich zu idealisieren, und zu realisieren, zu ergänzen und teilweise in sich auszuführen.“1

Im Denken betreten wir durch diese Tätigkeiten die Möglichkeitsräume der Leerstelle. Wir erschließen uns die Bedingungen unter denen wir uns Selbst und unter denen uns die Welt als gegeben erscheinen. Wir verständigen uns auf die nicht zu hinterfragenden Gründe, die unser Gespräch erst ermöglichen. Wir beginnen zu Denken und klären die Ausdrucksweisen mit denen wir uns zu verständigen suchen auf. Dennoch stoßen wir uns an den Grenzen, die mit dem Denken gesetzt werden.

„Daraus folgt nicht nur, dass wir – selbständig uns losreißende Denkende – uns vom Leben – dem selbständig hingestellten Objekt – getrennt finden; sondern auch, dass wir durch Denken aus dem relativistischen Medium des Bildes niemals herauskommen können.“2

Das heißt, nach aller Klarheit, die im Ausdruck der Gedanken erreicht werden kann, beginnt sich das Denken an der entscheidenden Begründungsstelle gewissermaßen im Kreise zu drehen. Es kommt nicht über sich hinaus, solange es im Modus des Denkens verharrt. Es droht zu erstarren und als ein schemenhaftes Gerüst des Lebens in den Unterscheidungen diskursiver Festsetzungen selbst festzusitzen.

Soll dieser Zustand des in sich selbst fixierten Denkens noch überwunden werden, gilt es, sich dem Einleuchten einer Wirklichkeit hinzugeben, die das Denken ins Leben hin überschreitet ohne es dabei zu verlieren.

Man mag diese Hingabe Liebe zum Leben oder denkendes Nichtdenken oder anders nennen; letztlich hat es keinen Namen, der benannt werden könnte.

 

 


1 Friedrich Schlegel, KFSA, 1. Abt. Bd. 2, S. 168-169.

Kai Gregor: Anweisungen zum Seligen Leben. In: void – works, Bilderverbrennung und andere Aspekte einer Heterospektive, 2013, S. 102.