SOZIALE PLASTIK

Im Möglichkeitsraum der sozialen Skulptur.

Es ist ein wesentliches Moment der Kunst, dass sie sich nicht auf eine elitäre Gruppe von Spezialisten bezieht, sondern prinzipiell für alle Menschen da ist. Sie ist kein gerichtetes Kommunikationsinstrument zur zielgruppenspezifischen Ansprache, sondern sie spricht die Menschheit in jedem Einzelnen an. Wobei – wie in den Thesen zur Kunst ausgeführt – dieser Anspruch erst dann erscheint, wenn ihm eine Antwort im konkreten Erleben des Einzelnen entspricht.

Deshalb haben Künstler immer wieder darauf hingewiesen, dass dieser Anspruch der Kunst Auswirkungen haben muss auf die Art und Weise wie wir unsere gesamte Lebenswelt betrachten. Das heißt, wer ein Kunstwerk erlebt, wird seine Sicht auf die Lebenswelt verändert finden.

Natürlich ist es möglich, dass einzelne auf die Kunst verzichten können, aber es ist uns nicht möglich, auf unsere Lebenswelt im Ganzen zu verzichten.

Wie und durch wen unsere Lebenswelt geformt und gestaltet wird ist die zentrale Frage der »Sozialen Skulptur«.

Dieser Begriff einer »Sozialen Plastik«, der heute manchmal wieder zu einer „künstlerischen Spezialdisziplin für Spezialisten“ eingedampft und damit bedeutungslos gemacht wird, wurde Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts v.a. durch Joseph Beuys wieder ins Gespräch gebracht. Er beschreibt die Tatsache, dass all unser Denken und Handeln eine gestaltenden und die Lebenswelt formende und verändernde Tätigkeit ist. Deshalb können und sollen auch alle Menschen teilhaben an der Gestaltung unserer Lebenswelt, die nicht an der Haustür oder einer Landesgrenze endet. Der Begriff  kann uns bewusst machen, dass wir dies fortwährend schon tun, selbst wenn wir uns dessen nicht bewußt sind:

Jeder einzelne Gedanke, jedes Wort das wir an unseren Nachbarn richten, jedes Produkt das wir kaufen oder nicht-kaufen, jede Form von Bildung, Regierung, Religionsgemeinschaft an der wir Teilhaben, wirkt sich auf das ganze Bild unserer Lebenswelt aus und stellt dieses gewissermaßen fortwährend her.

Wie und durch wen unsere Lebenswelt geformt und gestaltet wird ist die zentrale Frage der »Sozialen Skulptur«.

Historisch gesehen, sind aus diesen Überlegungen eines Künstlers Initiativen wie die Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung, die Partei der Grünen oder die Free International University (FIU) entstanden.

Jedoch ist nicht die historische Betrachtung dieser Initiativen und Überlegungen bedeutsam, sondern ihr aktives Fort- und Weiterdenken heute.

Wenn wir also die Tätigkeiten unseres Lebens als schöpferische, plastische Gestaltung des »Sozialen Organismus« begreifen, dann sieht man die Lebenswelt nicht als hinzunehmendes Universum der Dinge, sondern als ein durch Offenheit, Kreativität, Intuition, Vernunft, Spiritualität, Liebe zu gestaltendes Gemeinwesen.

Das heißt, der Kunstbegriff wird metaphorisch erweitert, um zu zeigen, dass die am Kunstwerk erlebte Qualität unter anderem ein Bild davon ermöglicht, dass all das was wir sehen und hören und und riechen und schmecken und fühlen und denken und glauben und meinen durch unsere alltäglichen Handlungen geformt wird und wir im Bild der Freiheit, das die Kunst enthält, erkennen können, dass wir die Möglichkeitsräume unserer Lebenswelt ausformen.

Wenn wir also die Tätigkeiten unseres Lebens als schöpferische, plastische Gestaltung des »Sozialen Organismus« begreifen, dann sieht man die Lebenswelt nicht als hinzunehmendes Universum der Dinge, sondern als ein durch Offenheit, Kreativität, Intuition, Vernunft, Spiritualität, Liebe zu gestaltendes Gemeinwesen.

Ein Bildhauer wird sagen, ich brauche Lindenholz für dieses Kunstwerk, ein Konzeptkünstler wird sagen, ich nutze diesen gefundenen Kontext, um diese Dinge in Ideen zu verwandeln, die man sehen kann.

Ein Supermarktbesucher wird sagen, ich brauche das billigste Ei, um mir noch anderes Leisten zu können, ein Landwirt wird sagen, ich brauche diese Menge an Antibiotika, um diese Eier produzieren zu können, ein Pharmamanager wird sagen, ich brauche diese Gesetze, damit die Supermarktbesucher weiterhin sagen können, was sie sagen.

Es ist egal welche Tätigkeit wir betrachten. Betrachten wir sie im Hinblick darauf, inwiefern sie die Lebenswelt des sozialen Organismus lebenswert gestaltet und eine freie und lebendige Entfaltung des Gemeinwesens, des allgemeine Wesens, das einige Weltall nennen, ermöglicht, dann haben wir Teil an dem was der Begriff »Soziale Plastik« beschreibt.