ATEM PAUSE


Dann kommt die Beherrschung der Lebensenergie
über Einatmung, Ausatmung und den Zwischenraum.

Patanjali

Unser Atem kommt und geht, wie die Wellen des Meeres. Ein- und Ausatmen folgen einander. In der Mitte aber, im Zwischenraum, öffnet sich eine Lücke, ein Freiraum, der in der Atempause eröffnet wird.

Die Atempause ist also mehr, als der Wunsch, Momente der Erholung in die alltäglichen Abläufe der Betriebsamkeit einzufügen.

Sie ist ein unmittelbares Erleben der Freiheit in einer Leerstelle, die nicht mehr Einatmen und noch nicht Ausatmen und nicht mehr Ausatmen und noch nicht Einatmen ist. In den Thesen über Kunst wurde bereits einiges über die Bedeutung des Atmens in den Lücken gesagt, was hier unter dem Aspekt des Lebens in einem viel umfassenderen Sinn lebendig werden kann.

Wir atmen Freiheit.

Sehen wir ruhig und ohne etwas erzwingen zu wollen auf den vielleicht zunächst nur winzigen Spalt, der sich im Zwischenraum auftut, so mag er sich allmählich ausdehnen und den Lebensraum der Freiheit eröffnen, der dann vor uns liegt. Wir atmen Freiheit.

Dies mag eine lange und beständige Übung sein, ein vorsichtiges sich herantasten an die Atempause, die immer wieder neu auftaucht und vielleicht unentdeckt längst Teil unseres Lebens ist. Als Leerstellen in denen die Lösungen bereits leben.

Kumbhaka – so heißt die Atemtechnik der »Kunst-Atempausen«, die mit Geduld und Achtsamkeit darauf bedacht ist, die winzigen Pausen, die schon Teil unseres Atemmusters sind, auszudehnen bis sich sich in dieser Mitte ein Bewusstsein der Leere einstellt.1 Nach Patanjali führt diese Beherrschung der Lebensenergie über Einatmen, Ausatmen und der Zwischenraum in ein »Viertes« (caturtha). Dort „wird der Schleier um Drashta (das sehende Selbst) durchsichtig, und das innere Licht kommt zum Vorschein.“2

Was dieses Licht ist, ist Leben und was wir erkennen ist nicht das, was in der Leere der Atempause erscheinen wird, „daher muss da Schweigen und Stille herrschen, und der Vater muss da sprechen und seinen Sohn gebären und seine Werke wirken ohne alle Bilder.“3

Und so erscheint in der Sprache zwangsläufig die große Idee der Sprachlosigkeit: Eine Stille, die eintritt. Ein Schweigen im Innern der Leere, zu dem sich alle Dinge verhalten wie Gegensätze. Nur der Widerspruch spricht sich aus. Spricht an sich. Spricht aus sich, durch sich, für sich. Spricht nur, in seinem Schweigen, tritt ein als Atempause im Zwischenraum. Ein einziges Leben.

 

 


1 Vgl. Anna Trökes: Kumbhaka – Die hohe Kunst der Atempause. 

2 Patanjali: Das Yogasutra – Von der Erkenntnis zur Befreiung. Übersetzt von R. Sriram, 2009, S. 146.

3 Meister Eckehart: Deutsche Predigten und Traktate, München, 1955, Predigt 36, S. 325f.


Unterhaltung III

 

B: Wie würden Sie »KAPITALISMUS« erklären?

A: Atmen Sie mehr als die Anderen.

B: Wie würden Sie »KUNST« erklären?

A: Atmen jenseits aller Vergleiche.

B: Wie würden Sie »ATMEN« erklären?

A: (Hält den Atem an und stirbt.)

 


Aus: robert lax channeled / robert lax mitgeteilt, leerstelle.org, 2011.